Yakfilter bloggt wieder...
Montag, 7. März 2005
SK Tirana Superklub

Sonntag, 6.März

Hatte letzte Woche einiges zu tun und komm daher erst jetzt zum Schreiben. Vorigen Samstag hab ich mir das Vergnuegen gegoennt, den Tabellenführer der hiesigen Liga live zu beobachten. Ich war dort mit Ergys, dem Bibliothekar der Germanistik, der eingefleischter Fan vom SK ist und mit Klodian, der sich eigentlich weniger für Fußball interessiert, und der, glaub ich, nur mitkam, weil er durch Gespräche mit mir sein Deutsch verbessern will. Da er mich aber kaum zu Wort kommen läßt, bin ich mir nicht sicher, ob er sein Deutsch wirklich verbessert.
Das Stadion, dessen Namen ich leider vergessen habe, ist nach einem albanischen Volkshelden benannt, der irgendwann von Enver Hoxha umgelegt wurde, Ergys meinte, es gehe das Gerücht um, daß er was mit einer der Frauen Hoxhas hatte und deshalb sterben mußte. Da es recht regnerisch war, wie die meiste Zeit hier (It always rains in Mid-Albania), mußten wir uns Eintrittskarten kaufen, und nicht wie sonst üblich, einfach den Polizisten am Eintritt schmieren. Das Problem war, da es im Stadion nur Sitzplätze gab, daß die wenigen überdachten nur durch Platzkarte zu behaupten waren. Das Stadion ist, obwohl albanisches Nationalstadium, in dem auch die Nationalelf spielt, nicht besonders groß. Ergys meinte, es hätten 15.000 Zuschauer Platz, aber ich persönlich bezweifle das. Es ist unglaublich eng da, wenn man seinen Sitzplatz erreichen will und an jemand schon Sitzendem vorbei will, tritt man dem entweder auf die Zehen oder man kippt vornüber auf den darunter Sitzenden. Stehplätze gibt es nicht. Die wenigen Transparente trugen Schriftzüge wie “SK Tirana Superklub” oder “Forza Tironi”. Wir mußten uns erst noch ein paar Zeitungen besorgen, weil die Sitze im Stadion so dreckig sind, daß man was unterlegen muß. Wohl aufgrund des regnerischen Wetters waren nur wenig Besucher da, ich schätze ein- bis zweitausend. Ich habe auch nur eine einzige Frau gesehen, wie mir später erklärt wurde, ist das deshalb so, weil es früher in den albanischen Stadien immer ziemlich wild zuging.
Endlich liefen die Mannschaften ein: Der SK Tirana in blau-weiß und Durrës, ebenfalls in blau-weiß. Das hat mir besonders gut gefallen, wenn ich auch zugeben muß, daß Tirana gestreifte Shirts und weiße Shorts trug und Durrës weiße Shirts und blaue Shorts. Sie waren trotzdem nicht allzu leicht auseinanderzuhalten, was sich auch in einigen Fehlpässen niederschlug. Obwohl das Spiel technisch einigermaßen anspruchsvoll war, war doch eine eklatante Kopfballschwäche festzustellen und die Torhüter erinnerten mich nicht selten an Krasimierz Sidorczuk, Hubert (oder Herbert?) Steinlechner oder Peter Burgstaller. Wider Erwarten ging Durrës in Führung, erst 1:0, dann sogar 2:0. Die Zuschauer waren sehr erregt und schimpften aus vollem Hals. Sprechchöre gab es allerdings keine, nur einmal in der zweiten Hälfte, da aber auch nur ansatzweise. Das albanische Fußballpublikum scheint individueller zu sein als das westeuropäische. Aber auch zorniger. Es empfiehlt sich wirklich, bei einem Albanienbesuch auf ein Match zu gehen, denn es hat viel für sich, Männer in zum Großteil recht gesetztem Alter so in Rage zu sehen, rechts hinter mir saß zum Beispiel ein etwa sechzigjähriger Herr, der beim Schimpfen fast seine Zigarette verschluckt hätte. Wie mir Ergys erklärte, zielten die verbalen Attacken ausschließlich auf den Trainer von Tirana.
In der Pause kaufte er von einem Kind Sonnenblumenkerne. Ein paar von seinen Freunden waren gekommen, weil sie im Radio gehört hatten, daß Durrës 2:0 führe und da wollten sie ihre Mannschaft unterstützen. Zum Teil gelang das, denn der SK konnte die zwei Tore egalisieren. Das 2:2 war sogar ein ziemlich schönes Tor, nachdem der Ball im gegnerischen Strafraum fünf Stationen überbrückt hatte, wurde er mit einem eleganten Schlenzer ins linke Eck versenkt. Das einzige wirklich schöne Tor an diesem Nachmittag. Fast hätte Tirana noch gewonnen, aber der Schiedsrichter verlegte einen klaren Elfer ausserhalb des Strafraums. Die Empörung war groß. Interessant fand ich, daß das Tironer Publikum nur dann Beifall klatscht, wenn die Mannschaft sich einen Vorteil im Spiel erarbeitet und nicht nach schönen, aber erfolglosen Aktionen. Ein irgendwie erstümperter Eckball wird bejubelt, ein mit einem knappen Schuß neben das Tor abgeschlossener Sololauf nicht.
Weil gleichzeitig der Tabellenzweite Elbasán gegen Partizan Tirana 2:1 gewonnen hat, hat der SK nur mehr 8 Punkte Vorsprung. Mittlerweile gab es auch das direkte Aufeinandertreffen, ich kenn aber das Ergebnis noch nicht, werde es aber selbstverständlich nachliefern. Eigentlich wollte ich mit Ergys deshalb nach Elbasán fahren, aber das Wetter war zu schlecht. Schade, so wär ich endlich mal aus Tirana rausgekommen.
Am Dienstag hatte ich dann meinen ersten echten albanischen Nachmittag: In der Kneipe, in der ich immer sehr gut zu Mittag esse, saßen zwei meiner Kollegen und ein Professor vom französischen Institut und luden mich ein, mich zu ihnen zu setzen. Sie fragten mich, ob ich Bier oder Raki trinken wolle, “Ivi” (=eine ausgezeichnete Limonadenmarke) antwortete ich, und schon hatte ich einen doppelten Raki vor mir stehen. Es sollte nicht der letzte bleiben...
Einer der beiden rief dauernd seine Frau an, um ihr zu erklären, er habe grad eine Autopanne, ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie ihm das geglaubt hat, weil ihm im Verlauf des Nachmittags mindestens sechs Reifen geplatzt sind. Der andere berichtete mir, er hätte in Wien für den WWF gekeilt. Wir erzählten uns gegenseitig einige Keileranekdoten, dann brachen die drei auf. Der französische Professor war so besoffen, daß er seine Aktentasche nicht mehr fand. Ich blieb, nicht mehr ganz nüchtern, aber auch noch nicht betrunken, zurück. Um das Angefangene zu Ende zu bringen, setzte ich mich an einen anderen Tisch, an dem ein Dichter, der eine Zeitung herausgibt und dessen Werke ich vom Albanischen ins Deutsche übersetzen soll, und sein jüngerer Mitarbeiter saßen. Letzteren hab ich bereits sehr ins Herz geschlossen, neben Ergys bislang mein Lieblingsalbaner. Wobei ich natürlich niemandem Unrecht tun will, ich habe hier bis jetzt eigentlich nur nette Menschen kennengelernt. Ich wurde von den beiden aufgeklärt, daß der Raki, den ich bisher getrunken hatte, von minderer Qualität sei und auf ihren persönlichen Vorrat eingeladen. Der war auch wirklich besser. Der Dichter brachte mir dann eine Flasche Koniak, die er mir schenkte. Er beschwor mich aber, sie erst am nächsten Tag zu öffnen. Das hab ich mittlerweile auch getan. Ich bin ja eigentlich kein großer Fan von branntweinartigen Getränken (so heißt meines Wissens nach Hartalk in der Juristensprache), aber der ist wirklich sehr gut. Albanien ist ja bekannt für seinen Koniak. Irgendwann saß ich dann mit dem Dichter allein, wir aßen noch ein paar qoftë, das sind die hiesigen Cevapcici, und dann wurde ich vom Wirt, Dani, heimgefahren, obwohl ich gleich ums Eck wohne.
Der Raki des Dichters (ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich weder seinen Namen noch den seines jüngeren Mitarbeiters kenne, die beiden nennen mich aber auch immer Yuri, was mir eigentlich ganz gut gefällt) war anscheinend wirklich gut, ich hatte keinen Kater.
Am Freitag war ich mit Klodian und seinen Freunden aus. Das heißt, es dauerte geschlagene zwei Stunden, bis er endlich das Beisl fand, in dem sie ausgemacht hatten, was auch damit zu tun hat, daß es in Tirana viele Kneipen gleichen Namens gibt. Im zweiten “Valle verde” wurden wir dann endlich fündig. Wie immer, wenn ich in Tirana neuen Leuten vorgestellt werde, wurde ich sofort gefragt, warum ich gerade nach Albanien gekommen bin. Ich gebe darauf auch immer die ehrliche Antwort, daß ich zum einen darum gebeten wurde und zum anderen immer schon mal nach Albanien wollte. Eine Freundin Klodians, die in München studiert, fragte mich, ob mir nicht bewußt wäre, wie gefährlich Albanien für Ausländer sei. Ich fragte sie, was denn hier bitte gefährlich sein soll, sie meinte daraufhin, das wüßte sie auch nicht, aber immer, wenn sie in München sage, daß sie aus Albanien ist, sagten alle: “Was, Albanien? Das ist aber sehr gefährlich da.”
Wir wechselten später in den schon aus dem zweiten Bericht bekannten Cannon-Club, in den mich keine zehn Pferde mehr bringen, weil der DJ es gewagt hat, in seiner Talentlosigkeit ein Lied von The Clash derart grauenhaft zu verstümmeln, daß ich sofort nach Hause gegangen bin. (Dreimal darf geraten werden, welches Lied) Ich hatte mich so darüber gefreut nach stundenlangem “Lemon tree” und irgendwelchem Kaufhaus-Samba. Nur U2 hat noch zur Krönung gefehlt.
Sonst ist hier inzwischen nicht viel passiert, einmal abgesehen davon, daß die meisten Studenten nicht zu meinem Unterricht erscheinen. Nachdem ich hier aber auch prüfen werde, macht mir das wenig aus. Hä! Hä! Ich hab, falls ich das nicht schon erwähnt hab, auch schon geprüft. Nämlich beim Staatsexamen. Macht Spaß von der Seite. Soweit, sogut. Mitte März bin ich nach Elbasan zum Frühlingsfest eingeladen. Und nächste Woche ist hier Muttertag. Ich glaub, am Mittwoch.
So long, schönen Gruß, mirupáfshim
Yakfilter

PS: Wie ich soeben erfahre, endete die Begegnung zwischen Elbasán und dem SK Tirana 2:2, das heißt es bleibt bei den 8 Punkten Vorsprung.

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